Kita am Wald (Castrop-Rauxel): Elternarbeit während der Coronakrise

Dies ist der dritte Blogbeitrag von Alexandra Knoch, Fachkraft in der Kita am Wald in Castrop-Rauxel, einer dreigruppigen Elterninitiative, u.a. mit dem fachlichen Schwerpunkt tiergestützte Pädagogik. Heute gibt Alexandra Knoch uns Einblick in die Elternarbeit in Zeiten von Corona und wie es gelungen ist, im engen Kontakt und Austausch mit den Eltern zu bleiben sowie diese in ihrer Rolle als häusliche `Kinderganztagsbetreuer*innen´ zu unterstützen. Dabei wird auch deutlich, dass sich in einer Elterninitiative durch die Doppelrolle der Eltern als Arbeitgeber UND Erziehungspartner sowie die räumlich Nähe aller Beteiligten im Ortsteil Rauxel weitergehende Anforderungen an die und Möglichkeiten der Zusammenarbeit entwickeln lassen als in sogenannten `normalen´ Einrichtungen.

3. Blogbeitrag

Bei unserer dreigruppigen Einrichtung, der Kindertagesstätte „Kita am Wald e.V.“ in Castrop-Rauxel, handelt es sich um eine Elterninitiative, die seit 1979 besteht. Wir betreuen 55 Kinder im Alter zwischen einem Jahr bis zur Einschulung. Die Kita liegt im Süden des Stadtteils Rauxel direkt an einem Waldstück, das mehrere Stadtteile miteinander verbindet. Viele unserer Kinder kommen aus dem Stadtteil Rauxel, der geprägt ist von Einfamilienhäusern und Ein- bis Zweifamilienzechenhäusern aus den 50er Jahren des vorangegangenen Jahrhunderts. Neun unserer 13 Erzieherinnen wohnen ebenfalls in Rauxel oder einem der angrenzenden Stadtteile.

Elternarbeit vor der Krise und die Doppelrolle unserer Eltern
Dadurch, dass unsere Kita eine Elterninitiativeinrichtung ist, besteht der Kontakt zu unseren Eltern nicht nur über den pädagogischen Dialog zu der Entwicklung der Kinder. Der Vorstand, der als Arbeitgeber fungiert, setzt sich aus Elternteilen zusammen, die in einer Mitgliederversammlung aller Vereinsmitglieder (den Eltern) gewählt wird. Die Eltern verpflichten sich mit Unterzeichnung des Betreuungsvertrages zur aktiven Mitarbeit in der Kita:  Gartenarbeit, in der Küche aushelfen, Reparaturarbeiten, Notbetreuung, Elternbeirat etc. Gleichzeitig legen wir als Einrichtungsteam großen Wert auf gemeinsame Aktivitäten und die Einbeziehung der Familien durch gemeinsame Themennachmittage, Großelternnachmittage, Ausflüge, Maifest, Weihnachtsfeier, Schultütenbasteln, soziale Projekte etc. Aber auch durch die räumliche Nähe, durch das Wohnen im gleichen Stadtteil bzw. in der gleichen Stadt (Kinder wohnen in der Nachbarschaft, Treffen beim Einkaufen, Überschneidung von Freundeskreisen etc.) ergibt sich ein enger Kontakt und macht eine gute Kommunikation möglich.

Der professionelle pädagogische Austausch über die Kinder nimmt natürlich den größten Raum in den Interaktionen mit den Eltern ein. Es finden in regelmäßigen Abständen Elternabende und Entwicklungsgespräche mit den Eltern statt. Wir bieten aber auch die Vermittlung und Begleitung zu Beratungsstellen, Krisengespräche und Unterstützung bei innerfamiliären Problemen an. Die Eltern wissen, dass wir jederzeit ein offenes Ohr für ihre Sorgen haben und gemeinsam mit ihnen nach z.T. auch unkonventionellen Lösungen für ihre Probleme suchen (z.B. das Abholen eines Kindes durch eine Erzieherin vor Dienstbeginn bei schwerer Erkrankung eines alleinerziehenden Elternteils). Die Bindung zu den Eltern ist dadurch ziemlich eng, sodass wir gelegentlich auch nach Schuleintritt eines Kindes noch kontaktiert und um Rat gefragt werden.

Assimilation in der Zeit mit Covid-19
Durch die Coronakrise wurde der direkte und persönliche Kontakt zu den Familien mit der Betriebsschließung am 16.03.2020 eingestellt. Unser Hauptaugenmerk galt in den folgenden Tagen zunächst den Kindern, die plötzlich und ohne für sie erkennbaren Grund aus ihrem Alltag gerissen wurden. Nach kurzer Zeit erhielten wir Nachrichten von Eltern, die scherzhaft andeuteten nicht zu wissen, wie sie ihre Kinder in den kommenden Wochen beschäftigen sollten und damit richteten wir unseren Fokus neben den Kindern auch auf die Eltern und organisierten einen Blog. Der Blog sollte ursprünglich dazu dienen den Eltern Anregungen für Beschäftigungsmöglichkeiten zu bieten, indem wir Kreativvideos erstellten (basteln, kochen, backen). Durch die große positive Resonanz der Eltern und Kinder erweiterten wir unser Angebot an Blogbeiträgen. Neu hinzu kamen Fingerspiele, Lieder, vorgelesene Geschichten, hilfreiche Links für die Eltern (kindgerechte Videos über Corona, Kindergeldzuschlag, Newsletter der Frühen Hilfen, Kinderwettbewerb der Stadt etc.). Wir hofften (und im Nachhinein können wir sagen, es gelang uns), dadurch den Kontakt sowohl zu den Kindern als auch deren Eltern zu halten. In einer abschließenden Umfrage zur Zeit der Schließung gaben alle Eltern (ca. 2/3 unserer Kitaeltern beteiligten sich) an, dass sie sich gut unterstützt und von uns in der schwierigen Situation nicht allein gelassen fühlten.

Online Stuhlkreis
Das Einrichten der virtuellen Stuhlkreise folgte im nächsten Schritt. Die Stuhlkreise dienten natürlich in erster Linie dem Zweck bei den Kindern präsent zu bleiben. Gleichzeitig beabsichtigten wir damit den Eltern Strukturen anzubieten, die die Kinder aus ihrem Kitaalltag kennen. Die Stuhlkreise begannen in den jeweiligen Gruppen zwischen 9Uhr und 10Uhr (zur selben Zeit fanden sie bisher auch in der Kitabetreuung statt) und die Eltern hatten an zwei bis drei Tagen in der Woche die Gelegenheit mit ihren Kindern über Zoom daran teilzunehmen (mit der Zeit änderten sich einige Faktoren wie die Einteilung nach Altersgruppen etc., aber dennoch achteten wir darauf eine zuverlässige Regelmäßigkeit für die Familien einzuhalten). Obwohl nicht alle Familien dieses Angebot nutzten (in etwa die Hälfte unserer Kinder nahmen daran teil), weil sich in den Familien bereits neue Tagesstrukturen etabliert hatten, war das Feedback der Eltern zu den Stuhlkreisen durchweg positiv.

Leserunden per WhatsApp
Da uns klar war, dass viele Eltern zur Zeit neben der anspruchsvollen Betreuung der Kinder (Eltern gaben an, dass sie das Gefühl hätten, sie könnten ihren Kindern in der familiären Isolation nicht gerecht werden, die Kinder wirkten unterfordert und könnten sich nicht „auspowern“) auch den Haushalt führen und Arbeit im Homeoffice leisten müssten, überlegten wir in Teamsitzungen, wie wir unser Angebot noch auszuweiten wäre, um den Familien größtmögliche Unterstützung anbieten zu können. Wir führten zwei Leserunden über WhatsApp ein, die die Eltern nutzen konnten, um die Kinder zu beschäftigen oder um sie den Kindern als Einschlafhilfe beim Zubettgeh-Ritual vorspielen zu können. Auch dieses Angebot erfreute sich größter Beliebtheit und es gibt zurzeit Überlegungen (auf Anfrage einiger Eltern) das Vorleseangebot nach der Coronakrise beizubehalten, schon allein um die Lust auf das Lesen zu fördern.

Information und Hotline
Allgemeine Informationen zur Notbetreuung, einer Ausweitung der Notbetreuung, zu Kitabeiträgen und Hygieneregeln erhielten die Eltern regelmäßig per Mail durch Leitung und Vorstand der Kindertagesstätte. Diesbezügliche Fragen konnten über E-Mail oder auch telefonisch gestellt werden, genauso wie eine An- und Abmeldung zur Notgruppe. Sowohl die Leitung und die stellvertretende Leitung, als auch die Mitglieder des Vorstandes arbeiteten täglich daran, den Eltern wichtige und neue Informationen zukommen zu lassen und zur Beratung zur Verfügung zu stehen. Durch das Wegfallen von Tür-und-Angel- und Elterngesprächen, bei denen es häufig auch um schwierige Belastungssituationen in den Familien (Überforderung in der Erziehung, finanzielle Probleme, partnerschaftliche Probleme) geht, riefen wir darüberhinaus Mitte April eine Art Hotline ins Leben. Die Eltern sollten dienstags und donnerstags zwischen 11 und 13 Uhr (in akuten Fällen auch nach Bedarf) die Möglichkeit bekommen, zwei unserer Fachkräfte telefonisch zu erreichen, um pädagogische Hilfestellung oder die Vermittlung zu einer möglichst passgenauen Beratungsstelle zu erhalten. Dieses Angebot wurde nur selten zu den angebotenen Zeiten genutzt. In der Umfrage gaben einige Eltern aber an, dass Ihnen allein die Möglichkeit im Notfall einen Ansprechpartner zu haben gereicht habe, um sich dadurch sicherer und unterstützt gefühlt zu haben. Und tatsächlich meldeten sich einige Eltern bei Erziehern ihres Vertrauens, um die eine oder andere Frage zu klären oder um Zuspruch oder einen Rat zu bekommen und so schien es für die meisten Eltern, keine Scheu oder Berührungsangst gegeben zu haben uns zu kontaktieren. Sicherlich ist dies aber auch der Tatsache geschuldet, dass wir mit Beginn der Kitaschließung in die gruppenzugehörigen WhatsApp-Gruppen der Eltern eingetreten sind, wodurch immer zwei Fachkräfte der Gruppen jederzeit zwanglos ansprechbar und somit greifbarer für die Eltern waren.

Vorbereitung des eingeschränkten Regelbetriebs, Elternabend per Zoom
Wie ich in diesem und dem vorangegangen Beitrag bereits erwähnt habe, gab es Umfragen an alle Eltern unserer Einrichtung, an der insgesamt 34 Elternteile teilnahmen. Die Umfrage verfolgte den Zweck den Start in den ausgeweiteten Not- und den eingeschränkten Regelbetrieb für Kinder und ihre Familie zu erleichtern, indem wir im Vorfeld die Stimmungslagen in den einzelnen Familien einschätzten und erfassten. Einige Eltern äußersten in diesen Umfragen aber auch noch einmal ihre eigenen diesbezüglichen Sorgen oder Ängste der Kinder, sodass es uns möglich war direkt darauf reagieren zu können. So kam es zu einzelnen Telefonaten oder Mailkontakt mit beratendem und unterstützendem Charakter zu Eltern. Den (bisherigen) Abschluss der stark eingeschränkten Elternarbeit stellte ein gemeinsamer Elternabend über Zoom am 04.06.2020 dar. In den WhatsApp-Gruppen, Telefonaten und Mails entstand der Eindruck, dass die Eltern erhöhten Bedarf an einem Austausch zur Aufnahme des eingeschränkten Regelbetriebes am 08.06.2020 hätten und so luden wir zu diesem gemeinsamen Elternabend ein. 23 Eltern nutzten die Möglichkeit zu einem Austausch. Begleitet wurde der Elternabend von sieben pädagogischen Fachkräften inklusive der Leitung und einem Vorstandsmitglied und soweit wir es zum jetzigen Zeitpunkt beurteilen können, konnten alle Anliegen der Eltern zu ihrer Zufriedenheit geklärt werden. Für die Eltern, die nicht die Möglichkeit hatten an dem Elternabend teilzunehmen wurde eine Mail mit einem ausführlichen Protokoll verschickt, um zu garantieren, dass alle Eltern auf demselben Stand sein können.

Fazit
Mit Beginn der Schließung hätte ich mir kaum vorstellen können, wie gelungene Elternarbeit in der Coronazeit funktionieren könnte und ging davon aus, dass sowohl Eltern als auch wir Fachkräfte darauf verzichten müssten. Natürlich könnte man mit den Eltern telefonieren und auch die eine oder andere Mail verschicken, aber das hätte dann eher einen „Notcharakter“ gehabt und wäre keine aktiv gelebte, zielführende Elternarbeit, wie wir sie für eine hohe Qualität unserer Einrichtung voraussetzen. Im Nachhinein kann ich sagen, dass wir es geschafft haben, den Eltern auf unterschiedlichsten Wegen so entgegen zu kommen, dass sie sich in unserer Einrichtung trotz der widrigen Umstände gut aufgehoben, verstanden und gut informiert gefühlt haben. Das geht auch aus der Auswertung der von jeder Familie beantworteten Umfrage hervor und hat die Erziehungspartnerschaft zwischen Eltern und Erziehern in jedem Fall bestärkt. Zugleich war es sowohl den Eltern als auch uns Erziehern möglich, einen persönlichen und sehr authentischen Austausch zu pflegen, da Ängste, Sorgen und Unsicherheiten auf beiden Seiten vorhanden waren und kommuniziert wurden. Das sehe ich als Chance für eine weitere sehr gute Zusammenarbeit von Eltern und Fachkräften auf sehr respektvoller, gleichberechtigter und wertschätzender Ebene.

Links und weitere Informationen:
Hier finden Sie ersten beiden Blogbeiträge von Alexandra Knoch über die Arbeit der Kita am Wald e.V.:
1. Blogbeitrag vom 27.4.2020: Digital gut unterwegs!
2. Bogbeitrag vom 14.05.2020: Wie erreichen wir die U3-Kinder zuhause?Eine Bestandsaufnahme und Einschätzung zu unseren Angeboten und Aktivitäten
Hier finden Sie die Kita am Wald in Castrop-Rauxel im Netz und hier die Vorstellung der tiergestützten Pädagogik. Der Kontakt zur pragma gmbh ist 2015 über die Qualitätsentwicklung entstanden.