Zwei gute Nachrichten: Sprach-Kitas und Alltagshelfer*innen werden fortgesetzt – Trotzdem Verschärfung der Krisenlage!
Bund zahlt für `Sprach-Kitas´ bis Sommer 23 weiter (Titel - WAZ 10.11.2022 Überschrift) NRW-Familienministerin Josefine Paul (Grüne) begrüßt die Einigung zur weiteren Finanzierung der Sprach-Kitas durch den Bund. Vom 1. Januar bis zum Sommer 2023 werde der Bund das Programm, mit dem zusätzliches Personal zur Sprachentwicklung bereitgestellt wird, weiter bezahlen, erklärte das Ministerium am Mittwoch. Danach werde NRW die Finanzierung übernehmen. Endlich gebe es Planungssicherheit für die engagierten Fachkräfte in den Kitas, sagte Paul. Ohne Einigung wäre das Programm Ende 2022 ausgelaufen. Sprache ist ein zentraler Schlüssel für Teilhabe, so Paul. In NRW gibt es etwas 1.400 Sprach-Kitas. (Ebda.)
Alltagshelfer*innen
Dazu kommt dann als ebenfalls positive Nachricht: „NRW verlängert Programm für Kita-Helfer“ (Titel – WAZ 24.9.2022) – „Die schwarz-grüne Landesregierung setze das Kita-Helfer-Programm bis 31. Juli 2023 fort, teilte das Familienministerium am Freitag mit.“ Über das Programm der Alltagshelfer*innen haben wir häufiger berichtet – siehe z.B. Blog vom 14.11.2022. Beides ist in der Tat erfreulich und absolut notwendig. Mein Eindruck ist aktuell, dass viele Kitas mit zunehmenden Personalproblemen zu tun haben. In meinen direkten Kontakten mit Kitas bekomme ich solche Rückmeldungen. Mehr als zwei Jahre Corona-Stress ist nicht spurlos an den Teams vorbeigegangen: Krankheitsausfälle, Einschränkung der Öffnungszeiten und Notbetreuung häufen sich. Dazu kommt der sich verschärfende Fachkräftemangel (siehe unten). Leider! Insofern ist die Fortführung der beiden angesprochenen Programme mehr als notwendig. Aber wir brauchen mehr!
Fachkräftemangel, Fachkräfteoffensive
Warum wird das Alltagshelfer*innenprogramm aber nicht unbefristet fortgesetzt? Für Familienministerin Paul ist dieses Programm „eine erste wichtige Säule der `Fachkräfteoffensive´ für die frühkindliche Bildung“ (WAZ 16.9.2022 – siehe Blog vom 27.10.2020). Die Fachkräfteoffensive hat aber noch nicht gar nicht angefangen… Die Ministerin sprach in diesem Zusammenhang von einem „Marathon“, ließ aber offen, was die weiteren `Säulen´ sein könnten, was diese ausmacht, wie diese gestaltet und umgesetzt werden und wieviel Geld dafür benötigt wird. im Und: Sie ist dringend nötig! „Laut Studie (der Bertelsmann-Stiftung) fehlen 2023 in NRW rund 102.000 Kitaplätze, womit im bevölkerungsreichsten Bundesland der deutschlandweit größte Mangel herrsche. Bundesweit fehlen in Deutschland rund 384.000 Plätze. Um die Nachfrage nach Kitaplätzen zu decken, müssten in NRW zusätzlich 24.000 Fachkräfte eingestellt werden, sagen die Autoren des `Ländermonitors Frühkindliche Bildung´. Die zusätzlichen Personalkosten beliefen sich auf rund 1.1 Milliarden Euro jährlich.“ (WAZ 21.10.2022)
Politik, Haushalt und Prioritäten…
Zu befürchten ist aktuell, dass da nicht viel kommen wird. „NRW Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) hatte davor gewarnt, dass der finanzielle Spielraum des Landes im kommenden Haushaltsjahr `gering bis null´ werde. Schwarz-grüne Vorzeigeprojekte wie ein Altschuldenfonds für klamme Kommunen, ein weiteres beitragsfreies Kita-Jahr oder die versprochene kostenlose Kita-Verpflegung ständen damit ebenso wie Infrastrukturvorhaben auf der Kippe.“ (Titel WAZ 19.09.2022) In der Tat Realpolitik ist kein einfaches Geschäft, gerade in Krisenzeiten (Corona, Ukrainekrieg, Inflation, Energiepreise, Klimakrise etc.). Dazu kommt, dass die Kitas keine gute Lobby haben, nicht sehr durchsetzungsstark sind… Das wird unter anderem daran deutlich, dass wir seit 20 Jahren über angemessene Personalschlüssel für Kitas reden, ohne dass diesbezüglich nennenswerte Fortschritte zu verzeichnen sind (siehe Blog vom 3.6.2018).
Symbolpolitik statt Zukunft?!?
Familienministerin Paul hat – wie viele andere auch – zu recht gesagt: „Unseren Kindern und Jugendlichen gehört die Zukunft. Daher werde ich mich dafür einsetzen, dass sie unter bestmöglichen Bedingungen aufwachsen. Hierbei nimmt die frühkindliche Bildung eine zentrale Rolle ein.“ (Brief vom 29.7.2022 an Eltern und Familien, Beschäftige in Kindertageseinrichtungen, Kindertagespflegepersonen usw. – siehe Blog vom 20.08.2022). Die Krise in der Elementarbildung ist – im Gegensatz zu Corona oder den Folgen des Ukrainekriegs – eine schleichende Krise, die sich, wenn die Politik nicht zeitnah tätig wird, in den nächsten Jahren verschärfen wird. Die Folgen lassen sich schon jetzt vorhersagen. Fachkräftemangel und unzureichende Personalschlüssel werden dazu führen, dass ein zunehmend größerer Anteil von Kindern, vor allem die Kinder aus bildungsungewohnten Familien und die Kinder, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, `abgehängt´ werden. Dabei geht es nicht nur um die Kinder sondern auch um die Zukunft unserer Gesellschaft. „Wir brauchen kompetente, gut ausgebildete und motivierte Heranwachsende, um unser Land für die Zukunft erfolgreich aufzustellen und zur Lösung der globalen Krisen unseren Beitrag zu leisten. Der Elementarbereich ist in diesem Zusammenhang ein wichtiger Mosaikstein; er schafft eine wichtige Grundlage für die Lösung gesellschaftlicher Probleme: neugierige, engagierte, experimentierfreudige und selbstbewusste Kinder. Deswegen brauchen diese Kinder die `bestmöglichen Bedingungen´ (siehe oben Josefine Paul).“ (Blog vom 27.10.2022) `Bestmögliche Bedingungen´ steht für ein Platzangebot für jedes Kind und die tägliche individuelle Begleitung und Förderung jedes Kind…
Was tun?
Als der Krieg in der Ukraine begann, war die Bundesregierung kurzfristig in der Lage ein Sondervermögen für die Bundeswehr von 100 Milliarden € bereitzustellen – das anlässlich einer akuten Krise. 200 Milliarden € sind jetzt aufgerufen worden, um die Energiepreise zu deckeln. Muss aus der schleichenden Krise in der Elementarbildung erst eine akute Krise werden, um die notwendigen Mittel in die Hand zu nehmen?
P.S. Meine Befürchtung, dass die Krise im Kita-Bereich sich verschärfen wird, wird verstärkt dadurch, dass – aufgrund der Haushaltsplanung im kommenden Jahr weniger Geld, genau 1,85 Mio.€ (von 35,3 € auf 33,5 Mio. €), für die Frauenhäuser in NRW zur Verfügung stehen werden, obwohl „Schwarz-Grün… die Förderung einer weiteren Fachkraft in jedem Frauenhaus angekündigt“ (WAZ 14.11.2022) hatte, weil schon seit Jahren unstrittig ist, dass nicht genug Schutzplätze zur Verfügung stehen. Genauso wie die Frauen scheinen die Kinder nicht zu den prioritären Zielgruppen der Landesregierung zu gehören. Ich würde mich freuen, wenn ich mich diesbezüglich irren würde…